Meine Lebensgeschichte
von
Dörthe Engelhardt
Es ist ja alles da, was einen Sinn macht. Und der Rest ist dann …
„ … die Offenheit gegenüber den Angeboten, die das Leben mir ins Haus flattern lässt.“
Wofür schlägt dein Herz?
Mein Herz schlägt immer. Höher schlägt es, wenn ich vor dem ins-Bett-gehen meine Kinder noch einmal ansehe. Dann hüpft mein Herz sehr angenehm. Höher, wenn auch auf andere Art, schlägt es auch, wenn ich eine Veränderung, eine Entwicklung mit ansehen darf. Menschen beim Lernen zuzusehen, das macht mich glücklich. Manchmal schaue ich jemanden an und kann förmlich zusehen, wie sich gerade Neuronen auf der Suche nach Sinn völlig neu vernetzen. Und das finde ich wundervoll. Ebenso auch, wenn ich bei mir selbst merke, dass sich gerade etwas weiterentwickelt.
Was ist für Dich Leben? Was heißt für Dich: „Deinem Herzen zu folgen?“
Leben ist bewusster Umgang mit meinen Gefühlen, Gedanken und mit der Umwelt. Mein Herz ist sehr eng mit meinem Kopf verbunden, nur wenn beide zufrieden sind, macht etwas für mich Sinn. Dem Herzen folgen bedeutet auch, den Intellekt mit Intuition zu verbinden und zu Entscheidungen zu kommen, die ich nachhaltig gut finde. Das erfordert manchmal Mut, manchmal Stärke, manchmal ist es auch ganz einfach. Und bislang habe ich damit immer gute Erfahrungen gemacht, weil es ohnehin meist keine gesunde Alternative gibt.
Wie kann ich mir deinen Alltag vorstellen?
Ach, so etwas habe ich nicht. Manchmal habe ich klare Strukturen, bin bei Kunden, gebe Seminare, manchmal mache ich Büroarbeit, manchmal sitze ich leer vor dem PC und warte auf die Inspiration für ein Konzept oder einen schon lang versprochenen Text. Ein bis zwei Mal die Woche mache ich Sport, gehe laufen oder schwimmen. Eine relativ große Konstante sind meine Kinder, also bin ich morgens und ab nachmittags oft verplant. Abends setze ich mich dann meist noch hin und arbeite ein wenig.
Was sind deine wesentlichen Motivationen? Was macht dein Leben aus?
Ich mache am Ende des Jahres immer einen Selbsttest: Welche der vergangenen Aufträge hätte ich nicht gemacht, wenn ich im Lotto gewonnen hätte? Seit fünf Jahren ist es maximal einer pro Jahr. Ich mache was ich kann, was ich gern tue und bekomme Geld dafür. Ich genieße es, einen Beruf zu haben, der meinem Streben nach Sinn so sehr entgegenkommt. Ich beschäftige mich viel mit Veränderung, mit Kommunikation und mit der Frage, wie Menschen besser zu sich selbst und anderen finden. Die meisten meiner beruflichen Aktivitäten gehen genau in diese Richtung. Und ich hoffe, durch meine Arbeit die Welt ein wenig besser zu machen. Auch meine. Für mich selbst ist das innere Gleichgewicht immer wieder ein wichtiger Punkt. Ich habe lang im Außen nach Lösungen gesucht, das Innen „mit ins Boot“ zu holen, hat mich letztlich weitergebracht.
War das schon immer so? Wie bist Du zu deinem aktuellen Leben gekommen? Was waren so Meilensteine im Nachhinein?
Früher hatte ich die These, dass die Welt kontrollierbar ist, wenn man sich nur stark genug anstrengt, das Richtige zu tun. In gewisser Weise hat das auch funktioniert, zumindest wenn man auf mein Abizeugnis schaut. Aber in Studium und Referendariat funktionierte das nicht mehr so einfach. Was dazwischen gekommen ist? Das Leben. Und ich habe angefangen, Improvisationstheater zu spielen. Kontrolle? Keine Chance. Darüber habe ich dann gelernt, auf mich, auf die Kombination meiner Bedürfnisse, meiner Intuition und meines Intellekts wirklich zu hören. Dann ging es besser. Meine erste klare Entscheidung weg vom kuscheligen Vorzeige-Vorortleben habe ich getroffen, als ich nach dem Referendariat nicht in den Schuldienst gegangen bin, sondern mir eine Weiterbildung gesucht habe, bei der ich meine Vorkenntnisse nutzen konnte. Alle Vorkenntnisse. Als selbstständige Personalentwicklerin kam dann auch das Gefühl, aktiv und eigenverantwortlich mit meinem Leben umzugehen. Das war toll. Und ich konnte mich entwickeln, mit der Erfahrung kommen eben auch andere Trainingsmethoden, andere Herangehensweisen ans Coaching. Wichtig ist mir auch, mich selbst immer weiter zu entwickeln, zu lernen und Neues zu erfahren. Es macht mir schlicht und einfach Spaß, meine Perspektiven und Möglichkeiten zu erweitern.
Meine Kinder sind weitere wichtige Meilensteine. Sie haben mir beigebracht, das Leben zu nehmen, wie es kommt, zu schlafen, wenn es geht, den Moment stärker zu genießen – und ich habe eine weitere Art zu lieben kennengelernt, die mich völlig umgehauen hat. Und dabei waren sie nicht zimperlich.
Womit verdienst Du dein Einkommen und wie hast Du deinen ersten Auftrag bekommen? Wie ist es gestartet?
Mein Geld verdiene ich zum großen Teil damit, Offensichtliches zu sagen und andere auf die Spur zu bringen, wie sie es entdecken können. Egal ob in Training, Coaching und beim Theater: Authentizität und – um mit der Transaktionsanalyse zu sprechen – das Wissen, dass alle Beteiligten okay sind, sind immer auch Teil der Arbeit.
Ich bin seit 2001 mit einem Unternehmenstheater selbstständig. Ich arbeite mit Einzelpersonen, Klein- und Großgruppen mit Theaterelementen und „klassischen“ Trainingsmethoden und Inhalten.
Es gilt dabei oft, Prozesse zu spiegeln und auf offensichtliche, verständliche Weise so anzusprechen, dass die Beteiligten es annehmen können. Einer der besten Jobs überhaupt.
Mein erster Auftrag war ein Deutschkurs für Prostituierte. Einige von ihnen wollten aussteigen, andere waren unentschieden, wollten aber auf jeden Fall mal wieder etwas lernen.
Hm, eigentlich war der erste Auftrag ein Auftritt bei einer Mitarbeiterversammlung.Und wenn ich ganz weit zurückgehe, war der erste Auftrag wohl ein Babysitterjob. Zählt das auch? Auch die Tage in der Kuchenfabrik oder das wochenlange Verpacken von Lampenteilen? Auf ihre ganz eigene Weise waren alle diese Jobs interessant, auch wenn ich das nicht immer direkt gesehen habe. Im Nachhinein fast schade, aber ich werde sicher noch einige weitere interessante Jobs bekommen.
„Mein“ wirklich empfundener erster eigener Job war wohl einer, den ich niemandem sonst verdanke, den ich komplett selbst erarbeitet habe. Ich habe eine Unternehmensberatung kontaktiert, weil mich ihr Profil interessierte. Ich glaube, das war mein erster wirklicher Akquiseakt, deswegen bin ich auch so glücklich darüber. Wir haben uns zum Gespräch getroffen und ich wurde dort freie Mitarbeiterin. Ich habe mich damals sehr gefreut, weil ich meinem Impuls gefolgt und dabei erfolgreich gewesen war.
Und die wirklichen Wurzeln liegen wahrscheinlich wirklich in meiner Kindheit. Mit sechs habe ich Blut geleckt, als eine Landesbühnen-Produktion vom Haus in Montevideo immer vor Ort 6 Kinder castete und sie dann nach 2 Proben mit auf die Bühne schickte, man konnte ja nicht so viele Kinder mitreisen lassen. Ich war dabei und durfte das erste Mal die Erfahrung machen, auf der Bühne etwas Lustiges zu tun. Ich glaube, ich war 12 oder 13, als mein Vater der Überzeugung war, ich sollte Kabarettistin werden. So gesehen war der Weg da schon sehr klar. Ich musste nur noch verstehen, wie das mit dem Lustigsein so ist.
Wie hast Du Dich und deine Bestimmung gefunden? Gab es einen besonderen Auslöser oder war es ein Prozess?
Im Grunde habe ich gar nicht so etwas wie eine Bestimmung. Ich tue das, was ich jetzt gerade tun kann und will. Es kann gut sein, dass sich das in den kommenden Jahren wandelt. Zumindest was die konkrete Arbeit angeht. Es ist also eher ein Prozess. Ich gehe vorwärts durchs Leben und schaue dabei rückwärts auf mein Leben blickend nach dem Sinn. Denn es ist ja alles da, was einen Sinn macht. Und der Rest ist dann die Offenheit gegenüber den Angeboten, die das Leben mir ins Haus flattern lässt. Ich habe also weniger das Suchen als das Wahrnehmen im Fokus, auch beim Finden der Bestimmung. Es hat allerdings eine Weile gedauert, bis ich an diesem Punkt war, denn in Krisen habe ich früher meist auf scheinbar sichere Strategien, also so etwas wie Kontrolle und genaue Planung, zurückgegriffen, das war nicht immer produktiv.
Was war schwierig daran? Wie bist Du damit umgegangen? Wie hast Du die Hindernisse überwunden?
Zu Beginn war die Suche nach meinem Profil schwer. Mein Beruf existierte so noch nicht, es gab kein Curriculum für die Ausbildung, nur wenige geteilte Erfahrungen anderer, niemanden, bei dem ich von Grund auf hätte lernen können. Das hat mich eine Weile verunsichert. Irgendwann habe ich mich dann entschieden, einfach loszugehen. Schwierig war und ist es immer dann, wenn ich das Gefühl habe, versagt zu haben, dem Kunden nicht gegeben zu haben, was er brauchte oder im Vorhinein den Auftrag nicht klar genug abgesprochen zu haben. Wie in vielen Bereichen greife ich dann auf Weiterbildung zurück und modele sie für meine Zwecke angemessen um. Es erfordert ein wenig Kreativität, aber die habe ich ja.
Mein größtes Hindernis aktuell ist wohl, dass es nicht möglich ist, alleinerziehend selbstständig mit einem Beruf zu sein, der viel Reisetätigkeit erfordert. Zumindest nicht, wenn die Mutterrolle einen nennenswerten Stellenwert einnehmen soll. Gleichzeitig gibt es noch sehr viel Luft nach oben, was meine beruflichen Aktivitäten angeht. Ich habe durchaus Ideen, die noch ein bis zwei andere Versionen von mir mitbeschäftigen könnten.
„Das zu akzeptieren hat eine Weile gedauert.“
Jetzt versuche ich die Hindernisse nicht mehr zu überwinden, ich atme tief durch und durchschreite sie. Das spart eine Menge Energie. Dazu gehört auch, meine eigenen Grenzen anzuerkennen und zu respektieren. Und wenn ich etwas erreichen möchte, suche ich nach einem Weg. Und wenn der nicht geht, suche ich den nächsten. Mittlerweile bin ich auch froh, dass ich ganz sicher nie Langeweile bekommen werde, dafür habe ich einfach zu viele Ideen, was ich noch tun kann.
Was war deine schlimmste Situation, die sich im Nachhinein als besonders wertvoll herausgestellt hat? Was hast Du daraus gelernt?
Ich hatte mit 4 ½ Jahren eine schwere Krankheit, meine Überlebenschance lag bei etwa 10 %. Ich glaube, dass ich damals die Entscheidung getroffen habe, das Leben so richtig zu leben. Lang, intensiv und lebenswert.
Ein weiterer „schlimmer“, hm, ich mag das Wort nicht und ersetze es durch „erschütternder“ Einschnitt, war der Abschied vom Vater meiner Kinder und damit von der heilen kleinen Familienwelt. Wir haben jetzt eine andere gute kleine Familienwelt, es ist nicht die, die ich ursprünglich wollte, sonder die, die wir jetzt wollen. Wenn ich heute darüber nachdenke, wie lange ich mich damals mit dieser Entscheidung gequält habe, muss ich lächeln.
„Wo, wenn nicht in der Familie, in den eigenen vier Wänden, macht es mehr Sinn, authentisch zu sein, sich wohl und angenommen zu fühlen?“
Warum glaubst Du, erlebt jeder von uns diese schwierigen Zeiten?
Ich glaube gar nicht, dass jeder Mensch diese schwierigen Zeiten erlebt. Und um das in diesem Abschnitt vorwegzuschicken: Ich nehme Krankheiten hier aus, weil ich mir selbst zu unklar bin, welche psychosomatischen Anteile Krankheiten so habe. Und tödliche Krankheiten als Chance oder selbstverschuldete Folgen von Verdrängung etc. zu sehen, ist nicht mein Ding. Manche Krankheiten ergeben einfach keinen Sinn. Zu den anderen schwierigen Zeiten: Ich denke, viele suchen danach, weil sie eben auch zum Erfahrungsspektrum dazugehören. Spannung aufbauen und lösen, das ist Teil unserer Lernstrategien, unserer Art zu leben. Drama, Baby, das gehört ein wenig dazu, damit wir uns lebendig fühlen. Und wir lernen uns und die Welt besser kennen. Wer nicht krank wird, der scheitert irgendwo anders, wer nicht scheitert, dem fährt immer der Bus vor der Nase weg, und wem gar nichts Schlimmes passiert, der hadert damit, dass das nicht so ist. Und wer das auch nicht ist, der wird ausgegrenzt, von dem wendet sich der Gast mit Grausen, um eine berühmte Ballade zu zitieren. Wie langweilig und fremdartig ist das denn: Es war einmal ein Mann, dem gelang immer alles und ihm passierte nie etwas Schreckliches. Und als er im hohen Alter den Tod rief, er solle ihn holen, fragte der Tod: „Und, hattest du ein schönes Leben?“ und der Mann antwortete: „Es war zum Sterben langweilig, aber du bist ja nicht gekommen. Jetzt nimm mich bitte mit. Gern in die Hölle, ich will endlich etwas erleben.“ Allerdings halte ich es für unwahrscheinlich, dass ALLES im Leben so läuft, wie man will. Und dann geht es darum zu lernen, mit Grenzen und der Unkontrollierbarkeit der Umwelt umgehen zu lernen und das zu lieben, was da ist. Womit wir wohl irgendwo im Alter von 2 Jahren beginnen. Je größer mein Unvermögen, damit umzugehen, wenn es nicht so läuft, wie ich will, desto größer ist die Krise. Das kann sein, dass das Ergebnis nicht zufriedenstellend ist, oder dass ich selbst nicht tue, was für mich gut ist, weil ich mir dessen nicht bewusst bin. Da setzen dann häufig Sinnkrisen ein, zu Recht, denn wenn ich es nicht für sinnvoll erachte, warum sollte ich dann meine Zeit damit verbringen.
Oft sind es ja Ängste, die uns vor diesen Schritt abhalten. Welche Ängste hattest Du und wie bist Du damit umgegangen?
Ich hatte die Angst nicht zu genügen, meine Rollen nicht auszufüllen und andere so vor den Kopf zu stoßen, dass sie mich nicht mehr mögen. Letztere hat man wohl nach außen nicht so gemerkt, denn das habe ich in meiner Jugend recht ausgiebig getan.
„Meine Strategien daraus: Ich bin die ich bin, eine andere habe ich nicht.“
Also sollte ich mich liebevoll mit mir arrangieren. Als das geschafft war, habe ich festgestellt, dass ich durchaus intelligent genug bin, um mehr als nur zu genügen. Wenn ich eine Rolle – als Mutter, Freundin oder was auch immer – nicht ausfüllen kann, kommuniziere ich das, sage, was ich tun kann und wo meine Grenze ist, und hoffe auf Verständnis meines Gegenübers. Da im Zweifel ohnehin klar wird, wo ich Grenzen habe, kann ich das auch sagen, das gibt uns die Möglichkeit, ggf. Alternativen zu finden. Meist funktioniert das ganz gut. An konkreten Ängsten oder Stressoren arbeite ich mittlerweile auch gern mit wingwave, die Weiterbildung war eine meiner wohl effizientesten Weiterbildungen. Kürzlich habe ich dann noch das Thema Hypnose „draufgesattelt“, das fasziniert mich gerade sehr. Und das ist auch ein Bereich, den ich auf jeden Fall ausbauen werde.
Was hat sich alles verändert? Was machst Du jetzt anders? Was ist heute für Dich wichtig?
Ach herrje, was mache ich anders. Ich komme schneller auf den Punkt, traue mich auch klar auszusprechen, was ich gerade wahrnehme. Ich bemühe mich um gewaltfreie Kommunikation – was mir manchmal gelingt, ich sage anderen Menschen auch, wenn sie zu meinem Glück beitragen. Ich möchte authentischen Menschen begegnen, weil es Spaß macht. Und ich erlaube mir mehr als früher. Vor allem erlaube ich mir, menschlich zu sein, das entspannt sehr.
Ich lerne gern und entwickle mich weiter. Früher habe ich deutlich häufiger gezweifelt oder gezaudert. Heute entscheide ich klarer, schneller und in der Regel auch „richtig“, also erfolgreich für mich und meine Umwelt. Ein wenig kommt mir da sicher auch meine Lebenserfahrung zugute. Und der Rest ist Vertrauen auf mich.
Wie hat dein Umfeld auf deine Veränderung reagiert?
Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. Da ich mich langsam verändert habe, sind manche Bekanntschaften einfach ausgeschlichen. Andere haben sich gefestigt. Und manche Menschen kommen mit mir nicht mehr gut klar, weil ich so direkt bin, weil ich nicht mehr tue, was sie gern hätten, weil ich eben anders bin. Das ein oder andere von dem, was ich im Laufe der Jahre gelernt habe, verschreckt, ist manchem Menschen zu „abgefahren“, so wenig greifbar für kognitiv orientierte Menschen.
Sehr glücklich bin ich darüber, dass meine engsten Freunde auch weiterhin meine engsten Freunde sind. Das bestärkt mich. Und ich lerne sehr interessante Menschen kennen. Mein berufliches Umfeld reagiert übrigens durchweg positiv. Seit einigen Jahren habe ich das Gefühl, „die Ernte einzubringen“, das hat mich sehr bestärkt.
Wie zufrieden bist Du mit Dir?
Meine Zufriedenheit mit mir wechselt. Manchmal nach Trainings komme ich heim und freue mich, dass ich Menschen animieren konnte, sich zu verändern. Manchmal drücke ich mich vor einer Aufgabe und lächele über mich selbst. Wenn ich an Grenzen stoße und nicht entsprechend reagieren kann, werde ich unzufrieden. Ein gutes Signal, dass ich etwas verändern sollte. Meistens bin ich mit mir im Reinen. Also nicht nur nicht unzufrieden, sondern auch zufrieden. Am Zufriedensten bin ich wohl mit mir, wenn ich mich einfach über das Leben freue, ohne, dass ich irgendetwas dafür tun müsste, wenn ich also einfach sein kann und nicht tun muss. Dann bin ich auch mit mir sehr zufrieden.
Was sind noch so persönliche Baustellen?
Persönliche Baustellen habe ich noch einige. Erwartungen an meine Kinder überdenken und Sport treiben, das sind wohl meine Entwicklungsbereiche. Damit komme ich gut klar, ich halte es im Gleichgewicht.
Dann gibt es noch meine beruflichen Baustellen, Dinge, die ich noch erledigen möchte, die ich lernen möchte. Um den Überblick zu behalten bemühe ich mich darum, die Zahl der offenen Baustellen klein zu halten. Und ich freue mich, dass ich noch eine lange Zeit habe um möglichst Vieles von dem, was noch so auf mich zukommt, zu tun.
Wie stehst Du in Kontakt mit deinem Körper?
Oh, mein Körper und ich sind gute Freunde. Er ist weise und merkt manchmal mehr als mein Gehirn. Die beiden kommen mittlerweile gut miteinander aus. Und mein Körper sagt mir klar und deutlich, was er braucht. Meist bekommt er das dann auch recht zeitnah. Nur dass er immer wieder Pickel machen will, das mag ich an ihm nicht so wirklich.
Worin verlierst Du dich?
Ich mich selbst verlieren. In anderen Menschen. Das ist mir schon passiert, dass ich mich so sehr auf mein Gegenüber konzentriert habe, dass ich den Kontakt zu mir selbst verloren habe. Wenn das zu lange geht, führt es mich in die Unzufriedenheit. Manchmal verliere ich auch das Gespür für Raum und Zeit, wenn etwas mich unglaublich fasziniert. Das kann lesen sein, schreiben, oder ich nähe etwas. Auch mit meinen Kindern habe ich immer wieder Situationen, in denen ich die Zeit komplett aus den Augen verliere. Genuss ist zeitlos.
Woher nimmst Du Energie?
Die Energie ist ja da. Ruhe, Zeit für mich, Liebe und Erfolge sind mögliche Quellen. Bei der Arbeit achte ich darauf, nicht mehr Energie zu geben als ich bekomme. Dann werde ich auch nach der Arbeit nicht ausgelaugt sein.
Im Grunde verstehe ich aber wohl die Frage nicht. Die Energie ist da, ich nehme sie einfach. Natürlich schlafe ich auch. Vielleicht ist die Frage für mich eher, wofür ich mir keine Energie nehme, wenn man davon ausgeht, dass Energie eine mengenmäßig begrenzte Ressource ist.
Woher weißt du, was dir und wer dir gut tut und was auch nicht?
Ich merke recht schnell, was und wer mir gut tut. Wenn ich kann, entferne ich mich dann davon. Mein Körper teilt mir das mit, ich werde ambivalent, ich fühle mich unwohl. Also weiß ich nicht, was mit gut tut, ich spüre es eher. Und wenn ich dann doch mal daneben liege, reagiere ich eben, wenn ich bemerke, dass ich etwas tue, was mir nicht gut tut. So richtig gut läuft es wohl erst, seit ich beschlossen habe, nicht mehr das „Richtige“ zu tun. Jetzt habe ich die Wahl, das zu tun, was hilfreich ist und muss nicht mehr über Fehler oder nicht Fehler nachdenken.
Wie entscheidest Du, was Du machst?
Früher habe ich oft rational entschieden, mittlerweile verlasse ich mich oft auf meine Intuition. Es ist weniger ein Entscheiden als ein Spüren. Und wenn ich spüre, was ich tun werde, schaue ich mir die Fakten an und rationalisiere im Nachhinein. Ganz selten kann mein Kopf dann doch noch einen Haken finden, der dazu führt, dass ich mich umentscheide.
Was waren für Dich wichtige Helfer und Orientierungen?
Ich hatte ein paar Mentoren und Mentorinnen, darunter Berater_innen und Improlehrer_innen. Am meisten haben mir die „Helfer“ oft geholfen, wenn ich eigentlich Hilfe für einen ganz anderen Lebensbereich erwartet hatte. So hilft ein Clownsworkshop in der Organisationsentwicklung manchmal fast mehr als eine Veranstaltung zu Methoden bei Großgruppenformaten. Im Grunde lerne ich von Menschen, im direkten Kontakt, und durch Situationen.
Was bedeuten für dich Begegnungen und Menschen allgemein?
Der Mensch ist ein soziales Wesen. Begegnungen gehören also zum Menschsein. Ich bin immer dankbar, wenn sich eine solche Begegnung nicht auf Oberflächlichkeiten beschränkt, sondern eine echte Begegnung zwischen Menschen entsteht, die klar und mutig genug sind, sich wirklich zu zeigen. Diese Arten von Begegnung bedeuten mir etwas. Im Allgemeinen muss ich nicht mit Menschen umgehen, im Speziellen finde ich es toll.
Was waren deine bewegendsten Momente in deinem Leben?
Die Geburten meiner Kinder und die Tode naher Verwandter. Leben und Tod, so einfach ist das.
Was berührt Dich?
Ich werde von starken Gefühlen aller Art berührt, von Menschlichkeit, von kleinen Zeichen der Verbundenheit und des Mitgefühls. Auch wenn die Gefühle unterdrückt werden, sind sie dennoch da und spürbar und berühren mich. Und es ist gut in solchen Fällen zu wissen, wohin das Gefühl gehört, denn nicht alle Gefühle, die mich berühren, möchte ich auch haben. Mich berühren oft auch gerade die eher kleinen Gesten, eine Bewegung, eine Berührung. Manchmal begegne ich Menschen, denen die Emotionalität quasi aus jeder Pore strahlt, das berührt mich ebenso, noch viel mehr, wenn sich so jemand mir gegenüber auch verletzlich zeigt.
Was findest Du ganz wundervoll?
Ich liebe die kleinen Momente, in denen ich erlebe, wie schön das Leben ist. Das kann ein Sonnenuntergang sein, eine Nachricht von einer Freundin, ein Morgen im Bett, ein Kuss, eine gute Erdbeere oder ein unerwarteter Satz eines meiner Kinder. Ich finde den Sommer wundervoll, das Licht und die Wärme. Und wenn ich auf Menschen treffe, die ähnlich offen auf andere zugehen wie ich, finde ich das manchmal auch sehr wundervoll. Wenn ich wirklich offen bin, kann ich auch einen Schluck Wasser im richtigen Moment wundervoll finden, oder einen Zug, der pünktlich ankommt. Ich glaube, dass die Magie des wundervollen Moments nicht vom Ereignis an sich abhängt, sondern von der Offenheit, mit der ich es betrachte.
Was vermisst Du und macht Dich auch traurig?
Manchmal bin ich einsam, meist dann, wenn ich nicht ganz bei mir bin. Das macht ja auch Sinn, denn sonst hätte ich ja mich. Trauer entsteht bei mir oft aus Hilflosigkeit. Wenn ich gern etwas ändern würde und nicht kann, das in Kombination mit Leid, das macht mich traurig. Ach ja, und was mich so richtig runterzieht, das ist Vitamin-D-Mangel, der ist echt deprimierend.
Was wünschst Du dir noch?
Ich würde mich sehr freuen, wenn die Teile meines Lebens, die ich nicht beeinflussen kann, mir keine größeren Hürden in den Weg stellen würden. Also kein früher Tod für meine Kinder und mich, keine größeren Katastrophen, kein Krieg. Sollte ich jemals Miss Irgendwas werden, würde ich wahrscheinlich „Weltfrieden“ sagen. Und das trifft es irgendwie. Nur dass ich ehrlich gesagt nicht immer an alle denke, ich bin da etwas egoistischer. Weltfrieden würde mich freuen, oft denke ich aber eher an mein direktes Umfeld. Für mich selbst bin ich eher vorsichtig mit dem Wünschen, ich kann ja selbst entscheiden, wohin es mich führt. Außer bei Parkplätzen, die „bestelle“ ich immer, bevor ich ankomme.
Was hast Du als Nächstes vor?
Ich hole meine Kinder von der Schule ab und mache mir mit ihnen einen schönen Nachmittag. Danach schreibe ich ein Buch zu Ende und suche dafür einen Verlag. Zwei weitere entstehen gerade gedanklich, vielleicht schreibe ich die auch, oder es dauert noch ein paar Jahre. Oder sie bleiben erst einmal ungeschrieben. Ich atme und genieße den Sonnentag. Und zu guter Letzt fülle ich dann wohl doch noch das Waschwasser bei meinem Auto auf.
Möchtest Du den Lesern noch etwas mitgeben?
Ach, die haben doch selbst alles. Da sollen sie mal finden. Also vielleicht so etwas wie: „Höre nicht auf Kekse, finde die Weisheit in Dir.“
Möchtest Du von den Lesern kontaktierbar sein?
Wer mich kontaktieren möchte, wird mich wohl googeln.