Meine Lebensgeschichte
von
Sabrina Gundert
„Schreiben ist so viel mehr für mich. Es kann Medizin und Heilmittel sein …”
Es gibt diese zwei Stränge, die sich wie ein roter Faden durch mein Leben ziehen. Mit neun Jahren habe ich nicht nur meinen ersten „Roman“ geschrieben („Therese an der Ostsee“, in ein Schulheft, reichlich bebildert mit Buntstiftzeichnungen), sondern wollte zugleich auch Nonne werden.
Schreiben und Spiritualität gingen seit jeher Hand in Hand miteinander. Manchmal ist eines von beiden für eine Weile in den Hintergrund getreten – dann sind mir meist Menschen begegnet oder ich bin in Situationen gekommen, die mich deutlich und intensiv wieder daran erinnert haben, dieser Spur weiter zu folgen.
„Heute ist es kein Ziel, dem ich folge, sondern vielmehr eine innere Sehnsucht, der Ruf des Herzens, das, was ich da in mir spüre.“
Der eigene Duft
Ich glaube, dass jede und jeder von uns diese Sehnsucht in sich trägt, dass jede etwas hat, das nur sie auf ihre Weise in die Welt bringen kann. Wie eine ganz eigene Melodie, ein eigener Duft, der Teil des großen ganzen Dufts, der großen gesamten Melodie ist. Für mich war es vor allem die Stille, in der ich viele Antworten darauf, wer ich bin und was mich ausmacht, gefunden habe. Sei es bei einem Spaziergang im Wald, einer Woche in einem Meditationszentrum, zwei Tagen in einem Kloster oder in der Stille ruhiger Orte.
Diese Zuwendung zu mir, dieses Schauen nach innen, diese Zeit, in der niemand von außen mir sagte, was ich tun sollte oder könnte, hat mich ganz allmählich die zarte, innere Stimme immer deutlicher wieder wahrnehmen lassen. Wenn ich heute von der Sehnsucht spreche, davon, dem eigenen Herzen zu folgen, dann sind uns sicherlich die Freude, die Begeisterung, das, was uns wirklich erfüllt, gute Wegweiser.
Zugleich scheint mir immer wieder, kommt das, was wir meinen, wenn wir sagen „dem Ruf des Herzen folgen“ von tiefer. Von einem Ort, den wir in der Stille immer wieder umkreisen, ihm vielleicht auch ganz nahe kommen. Und an dem wir eine leise Ahnung davon bekommen, warum wir hier sind und was wir zu geben haben. Ebenso ist da zur gleichen Zeit dieses Nichts und Alles. Auf einer Ebene bin da ich, Sabrina, der Mensch, die Frau, die Handelnde. Auf einer anderen Eben gibt es nichts zu tun, ist alles schon längst da. Diese beiden Ebenen immer wieder zu erinnern, zu verbinden, zusammenzubringen und leben, das fällt mir gar nicht immer so leicht.
Mehr als das Sichtbare
Dabei gab es diesen einen Moment, diesen einen Menschen, der mich alleine durch sein Dasein daran erinnert hat (und es heute noch tut), dass es mehr gibt zwischen Himmel und Erde, dass es mehr gibt als das, was wir sehen können. Ich lernte ihn zu Beginn meines Studiums kennen, war gerade motiviert in das erste Semester eingestiegen und traf ihn, als ich dabei war, für die ersten Klausuren zu lernen, mich anzustrengen, gut zu sein, Leistung zu bringen.
Er war der alte Schulfreund einer Freundin und er brachte mein Leben (seine Werte, das, was ich glaubte, lebte und was mir wichtig war) gänzlich durcheinander. In ihm sah ich mich, sah ich tief in ihn, sah ich etwas Größeres. War ich mit ihm zusammen, fühlte es sich an wie nach Hause kommen. Plötzlich fühlte ich mich ganz, obwohl ich mich vorher gar nicht halb gefühlt hatte. Wir wurden kein Paar und stehen heute nichtmals in engem Kontakt miteinander. Und doch. Er ließ mich damals auf die Suche gehen. Ich wollte verstehen, was ich da erfahren hatte. Landete in unterschiedlichen spirituellen Seminaren, Ausbildungen und Sitzungen, probiere so ziemlich alles von Energiearbeit bis hin zu Heilsteinen aus, ließ das meiste davon wieder los und blieb doch verbunden mit dem Gefühl des Einsseins, der Kraft des Jetzt, dem Wissen, dass es da noch mehr gibt und dem Nicht-Wissen als solches.
Ängste und Zweifel auf dem Weg
Ängste und Zweifel gab und gibt es dabei immer wieder auf meinem Weg. Die Angst nicht gut genug zu sein, zu scheitern, einen Fehler zu machen. Ich habe nur gelernt, mich nicht dauerhaft von ihnen davon abhalten zu lassen, dem zu folgen, was mir wichtig ist. Manchmal hieß das auch, mich von Menschen zu verabschieden, die mir nicht mehr gut getan haben, manchmal auch von Orten oder Situationen. Immer wieder auch festzustellen, wo ich in alten Mustern festhing, etwas tat, dachte, oder sagte, weil ich es schon immer so getan hatte, es weiter tat – obwohl es mir schon längst nicht mehr gut tat.
Die Herausforderungen auf meinem Weg – sei es in Form von Konflikten, Krankheiten, Umbrüchen oder anderem – haben mich dabei immer mehr in meine Größe gebracht. Haben mich geschliffen, mal sanft, mal hart, und immer mehr von dem abfallen lassen, was nicht wirklich zu mir gehört. Haben mich immer wieder gezwungen, ins Handeln zu kommen und mich immer mehr als die zu entdecken, die ich wirklich bin.
Vom Leben geschält
Ich glaube, ohne all diese Schwierigkeiten, diese Herausforderungen und Erfahrungen wäre ich heute längst nicht da, wo ich bin. Nicht so in meiner Kraft, würde mich nicht zeigen mit dem, was mir wichtig ist, mit meiner Vision, meinen Projekten, meinem Tun. Das heißt allerdings nicht, dass das immer so ist. Oft ist es noch ein Schwanken – zurück in alte Muster, in Ängste, Zweifel, dann wieder rein in meine Kraft, in die Größe.
Ich übe mich darin, diese Zeiten immer stabiler werden zu lassen, immer leichter dort reinzukommen. Manchmal gelingt es leichter, manchmal schwieriger. Manchmal braucht es einen Impuls von außen.
Pläne greifen nicht mehr
Zugleich ist da dieses Spüren, diese Gewissheit von: Ja, das ist mein Weg. Manchmal sagen Menschen, ich sei ja mutig. Ich empfinde das nicht so. Es fühlt sich vielmehr wie eine innere Notwendigkeit an, wie ein Ruf, ein Ziehen, dem ich einfach folgen muss. Zugleich erlebe ich meinen Weg als einen, der sich im Gehen immer mehr entblättert. Heute weiß ich noch nicht, was der übernächste Schritt ist. Was ich heute tun kann, ist den nächsten Schritt – diesen immer. So fokussiert sich das Leben immer klarer auf den jetzigen Moment. Pläne für die nächsten ein, zwei, drei Jahre greifen einfach nicht mehr. Ich habe aufgehört, sie zu machen. Und bin – als eigentlich begeisterter Plan- und Sicherheitsfan! – dahin gekommen, immer mehr darauf zu lauschen, in welche Richtung das Leben als nächstes gehen will und dem zu folgen.
Freiwillig war das allerdings nicht immer. Es gab eine Zeit, 2013, als so vieles in meinem Leben in die Brüche gegangen ist. Als ich mit meinem Verlobten statt vor dem Traualtar vor den Resten unserer Beziehung stand, als das Haus, in dem wir damals wohnten, eines Nachts brannte, als ich keine Ahnung hatte, wo ich weitermachen, wohin ich ziehen sollte, was überhaupt noch trug. Als die Panikattacken anfingen, ich mehrfach im Krankenhaus landete, und nur mühsam, mit viel Ausdauer – und vor allem mit Hilfe der Achtsamkeit und unterstützender Menschen – den Weg zurück in den Alltag fand.
Schreiben als Hilfsmittel
Das Schreiben war dabei immer an meiner Seite. Es ist so viel mehr für mich als bloße, aneinandergereihte Worte. Es kann Medizin und Heilmittel sein, trägt unglaubliche Wandlungskraft in sich, wenn die Worte aus der tiefen Stille kommen. Kann damit auch wertvolle Friedensarbeit sein. Und schreiben wollte ich, wie gesagt, schon immer.
Auch die Spiritualität war schon immer da. Nach dem Schulabschluss habe ich eine Journalistenausbildung begonnen – und Geographie studiert. Denn da die Ausbildung studienbegleitend war, brauchte ich ein Studium. Und ich wollte etwas studieren, bei dem ich rausgehe und sehe, was ich da erforsche. So ist es die Geographie geworden. Heute, so erlebe ich es oft, erforsche ich statt der äußeren Räume die inneren.
Die Suche nach Antworten
Gleichzeitig war für mich eigentlich immer klar: Nach Studium und Ausbildung arbeite ich als Journalistin. Doch während der Ausbildung spürte ich einen immensen Druck, so dass ich die Freude am Schreiben verlor. Ebenso wollte ich eigentlich niemals selbstständig sein – und überlegte, mir nach meinem Studium doch lieber in der Geographie einen sicheren Job zu suchen. Doch ein Dreimonatspraktikum in einem geographischen Forschungsinstitut zeigte mir: Das ist es nicht. Zugleich kam das Schreiben mit aller Wucht zurück. Ich schrieb wieder in jeder freien Minute und es fühlte sich fast an als wäre es das, was mich damals lebendig hielt.
Anschließend suchte ich nach Antworten – danach, was wirklich meins ist, was ich wirklich tun will. Ich fand sie in einem buddhistischen Seminarzentrum, in der Stille, in der Natur, in den Schweizer Bergen. Diese Suche dauerte über ein halbes Jahr. Die Einführungswoche für den geographischen Masterstudiengang, für den ich mich ursprünglich eingeschrieben hatte, besuchte ich noch, dann machte ich mich selbständig.
Wegbegleiterin für andere Menschen
Ich startete mit Kreativen Schreibwerkstätten, Schreibcoachings, mit Textarbeiten und mit der Arbeit als Journalistin. Durch die Veröffentlichung des Buches „Auf dem Herzensweg – Lebensgeschichten spiritueller Frauen“, hat meine Arbeit dann eine ganz neue Richtung bekommen.
Das Buch habe ich damals im ersten Jahr Selbständigkeit geschrieben. Wirtschaftlich gesehen sicherlich keine gute Entscheidung und doch wurde es mir zum Türöffner und entschiedenen Wegbegleiter. Die zehn Frauen, die ich für das Buch getroffen, interviewt und die mir von ihrem jeweils ganz eigenen Weg – mit all seinen Höhen und Tiefen – erzählt haben, machten mir immer wieder Mut, selbst weiterzugehen auf dem Weg.
So rückte die Begleitung anderer Menschen auf ihrem Weg in den Fokus meiner Arbeit, das Schreiben wurde mehr und mehr zum Mittel, um uns den Themen, denen wir auf dem Weg begegnen, zu nähern. Heute hat sich der Raum noch mehr geweitet – heute empfinde ich es so, dass ich Menschen und vor allem Frauen dabei begleite, ihr Leben bewusst zu gestalten, zurückzufinden in ihre Kraft und ein Leben zu leben, dass sie wirklich erfüllt.
Verbundenheit erfahren
Dabei Räume zu schaffen, in denen wir einander wieder als Menschen begegnen können, in unserer einzigartigen Schönheit und Herbheit und unser Verbundensein mit uns, anderen und dem großen Ganzen wieder erfahren können, das ist mir wichtig.
So gebe ich Coachings, Seminare und schreibe Bücher. Daneben schreibe ich jede Woche in meinem Blog über das, was mich bewegt, berührt, was mir wichtig ist. Ich schreibe von meinen Visionen ebenso wie von meinem Tun und spüre auch hier die Verbindung zu den Menschen, die den Blog lesen, die antworten, die etwas von sich teilen.
Die Kraft des Kreises
Das ist immer wieder mit das Wertvollste für mich: Mit anderen Menschen – beispielsweise in einem Seminar – an einem Feuer (ob real, mit Kerze oder symbolisch) im Kreis zusammenzukommen, unsere Lebenslandkarten zusammenzutragen, etwas von ihnen zu teilen und etwas aus dem Kreis wieder mit einzuweben in die eigene Lebenslandkarte, etwas mitzunehmen und gestärkt in den Alltag zurückzukehren.
In diesen Kreisen, beispielsweise bei Jahreskreisfesten, beim Singen von Kraftliedern, in der Frauengruppe oder bei Ritualabenden, spüre ich wieder unser Gleichsein, unser Verbundensein. Im Kreis begegnen wir einander auf Augenhöhe, wird jede und jeder gehört und kann in Ruhe und vom Herzen sprechen. In dieser Kreisform können wir uns oft besonders leicht verbinden und unser Eingebundensein erfahren. Darin liegt für mich eine besondere Qualität.
Gemeinsam neue Wege finden
In meiner Arbeit kommen meist Menschen in Umbruchsituationen zu mir. Sie spüren, dass das Alte nicht mehr passt, zugleich ist das Neue noch nicht da. Ihre Arbeit erfüllt sie nicht mehr, sie fragen sich, was es da noch gibt. Auch Krankheiten oder Schwierigkeiten in der Partnerschaft – meist als Initialmoment für die Hinwendung zu sich selbst – begegnen mir immer wieder.
Es sind Momente, in denen wir Menschen uns oft beginnen zu fragen: Was ist meins? Was habe ich zu geben? Was trägt? Und was gibt es da noch? Gemeinsam gehen wir dann auf Spurensuche, finden Antworten und neue Wege.
„Ich glaube das Wertvollste, das wir im Leben tun können, ist uns immer wieder für das Leben zu öffnen.“
Egal, wie oft unser Herz verletzt wurde,
egal, wie viele Enttäuschungen wir erfahren,
wie sehr etwas, von dem wir dachten,
es bliebe für immer,
weggebrochen ist.
Immer wieder – so schwer es uns vielleicht auch fällt und
so sehr wir uns vielleicht auch verkriechen möchten – aufzustehen,
die Türe zu öffnen und zu schauen, was draußen auf uns wartet.
Auf uns selbst zuzugehen,
auf die Menschen, die mit uns hier sind,
auf das Leben selbst. Es an uns ranzulassen,
es zu wagen, wieder zu fühlen und
das Leben wirklich zu erfahren.
Und uns daran zu erinnern,
dass wir nicht alleine sind auf diesem Weg,
in diesem Leben, in diesem Menschsein.